Manchmal übe ich, ein Arschloch zu sein

Nein sagen fällt mir, wie vielen anderen auch, oft sehr schwer. Wenn ich es bewusst wahrnehme dass ich etwas nicht will, kann ich das inzwischen ganz gut ausdrücken. Nur auf Auto-Pilot rutscht mir noch viel zu oft ein „Ja“ heraus, weil ich nicht klar genug fühle, warum ich gerade nein sagen will und mich nicht erklären kann.

Deswegen übe ich manchmal bewusst, ein Arschloch zu sein.

Die Welt wird es verkraften, und langfristig ist es besser für uns alle. Wenn ich meinen inneren Widerständen feinfühliger begegne indem ich sie anerkenne und respektiere, spare ich Energie.

Ich bin ein Fluss, und der sucht den Weg des geringsten Widerstandes.

Er erkennt Widerstände und Blockaden an, und findet deshalb einen Weg, daran vorbei zu fließen. Hm, da gibt es Potenzial für Missverständnisse..

Ich meine nämlich nur die inneren Widerstände, wenn sich etwas nicht richtig anfühlt.

Wenn ich übe, ein Arschloch zu sein, dann heißt das bei mir, ich respektiere mich und meine Bedürfnisse und verteidige das auch nach Außen. Das Bild mit dem Wasser könnte dich aber dazu verleiten, bequem weiter Ja und Amen zu sagen, wo sich eigentlich alles in dir sträubt, weil du dann im Außen keinen Konflikt hast.

Schließlich bist „nur“ du unglücklich, das kennst du schon, da ist kein Risiko. Scheinbar.

Denn wenn du ständig unglücklich bist, bleibt dauernd Müll in dir zurück der dich belastet und weiter blockiert. Irgendwann bist du dann kein majestätisch fließender Fluss mehr, sondern ein Sumpf, durch den ein Rinnsal sickert.

Der Fluss erkennt Berge und Täler an, er tanzt mit ihnen.

Er reinigt sich ständig selbst, indem er mit Hilfe von Mäandern und Verwirbelungen alles, was nicht Wasser ist, irgendwann am Ufer zurück lässt. Berge und Täler sind die von Außen auferlegten Konditionen, in denen wir unseren Platz finden. Stöckchen, Blätter, und manchmal auch ganze Bäume, werden irgendwann dem Ufer zurück gegeben. Sie begleiten den Fluss ein Stück des Weges und verlassen ihn dann wieder.

Das sind die Dinge, die wir in uns gestalten.

Wie lange dürfen uns die Blätter und Stöcke begleiten? Wie sehr kümmern wir uns darum, einen geeigneten Ort zu finden, an dem wir den Baum loslassen? Wenn wir krampfhaft festhalten, Gutes wie Schlechtes, treten wir irgendwann über die Ufer und reißen alles, was uns umgibt nieder.
Die Moder-Brühe die vorher mal Wasser war, überflutet alles, weil das Flussbett nichtsmehr halten kann. Alles hat sicher ineinander verkeilt, und das Wasser staut sich. Je mehr davon nachkommt, desto mehr steigt der Druck an bis irgendwann doch der Damm bricht. Danach folgt Ruhe. Alles ordnet sich neu, baut sich langsam wieder auf. Aufatmen.

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Sehr dramatisch.

Manche Leute stehen drauf, aber mir ist das inzwischen zu stressig. Lieber übe ich im Kleinen nein zu sagen und meine Bedürfnisse zu spüren, als irgendwann wieder in der Klapse zu sitzen, grade mal so fähig, ein Puzzle zu bauen. Wenn ich fit bin.

Deshalb nein, Schweinebacke!

Die Schokolade ist für mich! Keinen müden Krümel sollst du haben, ist mir scheißegal, dass dein Plan anders war! Du gehst jeden fucking Tag in die Stadt und kannst dort neue kaufen! Ich brauch die jetzt! Ha.
In Wirklichkeit klingt das dann wie „Du, ich weiß ich hab vorhin gesagt ich geb dir was ab, aber ich brauche sie grad dringend. Hol dir doch bitte einfach selbst noch welche, wenn du morgen in der Stadt bist.“

Ich weiß, das ist ganz schön fies von mir.

Mein virtuelles Übungsfeld bekommt da viel eher mal eine Breitseite. Wenn mich in einer eher unpersönlichen Facebook-Gruppe von 5000 Mitgliedern jemand unreflektiert anpampt, dann nehme ich mir manchmal die Freiheit, zurück zu pampen. Einerseits um da keinen Dreck in mir anzusammeln, andererseits übe ich manchmal gezielt unfreundliche Blitzreaktionen. Das kann ich nämlich nur sehr schlecht.

Der bescheuerte Wunsch es allen Recht zu machen beeinflusst mich noch zu sehr.

Deshalb hatte ich beispielsweise beim Kinderarzt schon öfter Probleme, meine Kinder vor Dingen zu schützen die ich nicht für richtig halte. Eine Routine-Untersuchung an zu Tode verängstigt kreischendem Baby zum Beispiel.

Je geübter ich darin werde, kraftvoll Grenzen zu verteidigen, desto selbstverständlicher werde ich es auch in Zukunft tun.

Darum gilt es jetzt einmal die Scheu davor abzubauen, andere vor den Kopf zu stoßen. Das tue ich sowieso ständig, also kann ich es genau so gut absichtlich machen. So lerne ich dieses Kommunikations-Areal besser kennen, verstehe besser, was vermeidbar und was unumgänglich ist. Damit mache ich vor allem mir, aber eigentlich auch allen anderen das Leben leichter. Es ist auch spannend, aus einer Welt voller weichgespültem nicht verletzend aber trotzdem ehrlich sein wollen, einfach auch mal „scheiße“ zu sein.

Diese Freiheit fühlt sich richtig gut an!

Da haben Schimpfwörter Platz, Beschuldigungen, und Rechthaberei während man zusammenhangloses Zeug redet. Oh Mann, das habe ich fast vermisst! Und weil ich das jetzt wieder darf, zuvor aber eine Alternative studiert und praktiziert habe, muss ich das (fast) nicht mehr 😀
Die Krone der Effizienz ist natürlich, die gewaltfreie Kommunikation sofort voll und ganz zu verstehen.

Mitsamt gewaltfreiem Schreien.

Für mich stand allerdings erst mal an, überhaupt wieder schreien zu lernen. Meinen Mann und meine Kinder kann ich inzwischen ganz toll anschreien, aber wirklich, das musste ich erst üben. Und bei allen anderen fällt es mir immer noch schwer. Da ist nämlich noch ein Stück von der Angst übrig, dass mich niemand mehr mag, wenn ich etwas Unangenehmes tue.

Manche Leute mögen mich dann wirklich nicht mehr.

Aber wenn die Beziehung das nicht aushält, finde ich es inzwischen gut, Bescheid zu wissen. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, war ich noch viel zu unsicher, um so einen Angriff auf ihn zu riskieren. Viel eher bin ich gegangen oder habe nicht mehr mit ihm gesprochen, und versucht, wenn ich alles fertig unterdrückt hatte, sachlich darüber zu reden. Das hat aber manchmal Tage gedauert. Deshalb hat er mich irgendwann verzweifelt darum gebeten, ihn doch bitte lieber ungefiltert anzuschreien.

Ich musste manchmal noch den Umweg über in Rage gekritzelte Briefe nehmen.

Und stell dir vor, der konnte das tatsächlich entziffern! Die viele Leute haben schon Schwierigkeiten mit meiner „Schönschrift“ 😀 Jedenfalls habe ich mich dann doch irgendwann sicher genug gefühlt, es einfach raus zu lassen. Inzwischen passiert es mir einfach so, dass ich laut werde. Ein tolles Gefühl! Das ist dann richtig kraftvolle Selbstverteidigung. Da ich die Aggression jetzt willkommen heißen kann, fällt es mir viel leichter, sie konstruktiv zu lenken.

Ich lade dich ein: Befreie deine Wut! ?

 

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

11 thoughts on “Manchmal übe ich, ein Arschloch zu sein

  1. Die wahre innere Ruhe im Angesicht körperlicher Bedrohung kommt aus der Gewissheit, sich wirksam verteidigen zu können. Dabei gibt es zwar sehr viele ‚Stile‘ (vgl. z.B. hier: http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=384435 ) aber das grösste Problem ist zweierlei: die Vorbereitung dauert Jahre, insbes. wenn z.B. eine Frau sich einem körperlich-muskulär überlegenen Mann gegenüber wirksam (!) verteigen lernen möchte. Und: die Gerichte tendieren immer wieder dazu, wirklich wirksame Verteidigung dann auch noch als ‚Notwehrexzess‘ zu bestrafen, d.h., wenn man rechtzeitig und wirksam eingegriffen hat (also auch als hilfsbereiter Bürger andern zuhilfe eilt), so dass der Gegner sein Vorhaben auch nicht ansatzweise ausführen konnte, gilt man selbst als ‚Angreifer‘, gar ‚Schläger. Hätte man also warten sollen, bis man ernsthaft genug gefährdet wurde – aber dann kann man, bei Messerangriffen z.B., gar nicht mehr agieren, weil man bereits genügend schwer verletzt ist. Auch in weniger dramatischen Situationen ist das so – wer vorher zuschlägt, bevor er in einen dunklen Hauseingang gezerrt wurde, reagiert u.U. ‚exzessiv‘, wer es zu spät tut, hat schon wieder keine Chance. Dort,wo die asiatischen (waffenlosen) Kampfkünste entstanden, war das daher ganz anders organisiert: im frühen Morgengrauen, bevor es auf’s Reisfeld ging, wurde bereits mit dem Vierjährigen, egal, ob Mädchen oder Junge, geübt, und das bis ins hohe Alter. Das gibt Sicherheit und die Abwehrmassnahme erfolgt, vgl. z.B. Aikido, dann derart unscheinbar, dass sie als solche gar nicht mehr erkennbar wird. Aber stattdessen wächst eine Generation Smartphone heran mit Missbildungen im Nackenbereich, wie derzeit Kinderärzte vermehr feststellen. Beherrscht man aber diese Techniken, dann ruht man derart in sich, dass man nicht mal mehr ‚Arschloch‘ sein muss.

    1. Danke für den letzten Satz, ohne den hätte ich den Zusammenhang wohl schwer verstanden ❤
      Und auch insgesamt für das teilen deiner Gedanken! Es war spannend für mich zu lesen, und gibt mir neue Bilder für meine Gedanken 🙂
      Auf den Zustand der inneren Ruhe arbeite ich mich grad hin, aber dafür muss ich mir auch geduldig die Zeit geben, die ich bis dorthin brauche 😀

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