Desidentifikation – Wer bist du wirklich?

Die non-dualistischen Gruppierungen im spirituellen Bereich propagieren die Desidentifikation mit unserer scheinbaren Identität. Damit meinen sie, dass wir nicht unser Körper sind, nicht die Geschichte die wir über uns oder unser Leben erzählen. Sondern dass alles was ist, Eins ist. Denn was macht den Geist aus? Was bleibt beständig?

Wer sind wir wirklich?

Wir sind nicht die Schule zu der wir gingen. Kein Beruf, keine Bezeichnung die wir uns geben, wenn wir Beziehungen zu anderen beschreiben können unser Wesen beschreiben. Weder können unsere Hobbies, noch unsere Eigenschaften erfassen, wer wir wirklich sind.

Wir sind alles und nichts, da alles sich beständig wandelt.

Der Körper mag über lange Zeit der gleiche sein, aber die Bestandteile die ihn ausmachen verändern sich kontinuierlich. Von Sternenstaub zu dem was er jetzt ist, und in ein paar Jahren dann Wurmfutter oder Asche, um in neuer Form am ewigen Kreislauf des Lebens teilzunehmen. Genau so ist es mit unseren Gefühlen und Gedanken. Sie rauschen durch uns hindurch, kommen und gehen immer wieder aufs Neue.

Wer sieht all das?

Wer bemerkt, dass hier Freude und dort Wut ist? Wer fühlt die sanfte Berührung, wer nimmt den Stoß wahr, wenn man gegen eine Glastür knallt? Wer beobachtet die Handlungsimpulse, wer lauscht der Debatte, ob ihnen nachgegeben werden soll oder nicht? Wer hört die Gedanken?

Manche nennen ihn den inneren Beobachter.

Es ist neben der kontinuierlichen Veränderung von einfach allem, ob es nun sehr langsam oder sehr schnell geht, die einzige Konstante in unserem Erleben. Das Bewusstsein das sieht. Rupert Spira schenkte mir das Bild der Kino-Leinwand. Sie verändert sich nicht durch den Film, der auf sie projiziert wird, sei es nun eine kitschige Schnulze, ein Horror-, Action-, Dokumentarfilm oder eine Komödie. Sie ist da, immer gleich.

Die Veränderung ist in der All-Einheit Illusion.

Sie zieht uns in ihren Strudel, lullt uns ein mit aufregenden Geschichten, bis wir vergessen haben, wer wir sind. Wir beginnen, uns mit Namen, Biografien, Charaktereigenschaft­en und Ansichten zu identifzieren, halten uns für Teil des Films anstatt der Leinwand. Alles ist sehr wichtig und dramatisch, schließlich geht er um unser ErLeben! Unser Verstand muss komplizierte Entscheidungen treffen, alles muss von uns kontrolliert und gelenkt werden, sonst geht es den Bach hinunter.

Atmen.

Und jetzt sei mal kurz nur die Leinwand.

Stell dir kurz vor, das was passieren wird so oder so passieren. Du wirst tun, was du tun wirst, alle anderen auch. Und alles was dabei anders ist ist, dass du aufgehört hast zu glauben, du hättest Kontrolle. Deine Füße übernehmen den Job, dich an die Orte zu bringen, an denen du sein sollst. Deine Hände erledigen, was zu erledigen ist, und dein Mund sagt, was zu sagen ist. Alles was du tust ist, endlich aufzuhören dabei im Weg zu stehen weil du glaubst, du musst das alles planen und kontrollieren. Na, wie fühlt sich das an?

Alles ist gleich, nur die Anstrengung hört auf.

Erstmal zurück lehnen und den Film genießen. Mit dem Blick eines Außenstehenden tauchen im Film jetzt neue Handlungsmöglichkeit­en oder Interpretationsvaria­nten auf. Im Dilemma zwischen zwei scheinbar unvereinbaren Möglichkeiten geht mir plötzlich ein stimmiger Mittelweg auf. In einer scheinbar ausweglosen Lage bemerke ich kleine Schlupflöcher.

Und das nur, weil ich aufgehört habe, mich mit meiner Geschichte zu identifizieren, an meinen Glaubenssätzen festzuhalten.

Weiterhin passiert, was passiert. Aber ich bin Stille, ich bin nur die Leinwand, eine Projektionsfläche. Ich nehme wahr, und freue mich am Erleben dieses Filmes. Auch das herzerreißendste Drama kann mein Wesen nicht verändern. Ich beobachte meinen Körper wie er tut was er tut, meinen Verstand wie er denkt was er denkt, meine Gefühle wie sie wirbeln und strömen.

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Alles ist gleich, und doch ist jetzt dieser Punkt bewusst, von dem aus ich alles wahrnehme.

Zwischen aktivem Handeln und „Nicht-Tun“, wie dieses passieren lassen von dem, was eben zu tun ist, kann mn recht leicht unterscheiden lernen. Es hilft dabei enorm, beobachten zu lernen, ohne zu handeln. Ich übe das, indem ich meine Gedanken beobachte. Das Bild vom inneren Mitbewohner (Affiliate-Link) hilft mir in diesem Fall besser, als das der Leinwand. Dabei stelle ich mir vor dass alles, was ich in meinem Kopf höre von jemandem kommt, der mit mir in meinem Körper wohnt.

Ich bin nur Beobachterin, mein Job ist wahrnehmen.

Ich höre also zu, während mir mein Verstand in imaginär menschlicher Form dauernd erzählt, was ich zu tun habe. Je länger ich diese Übung praktiziere, desto leichter fällt es mir, einfach mal abzuwarten. Dieser innere Mitbewohner ist nämlich niemand, auf den ich mich verlassen will. Viel zu oft gibt es da unhaltbare Annahmen, bescheuerte Ideen, und teils wird mitten im Satz die Meinung geändert. Von sojemandem möchte ich nicht mein Leben kontrollieren lassen.

Lieber tue ich das, was ich sowieso tun werde, ohne mich dafür zu verurteilen.

Wenn ich lang genug beobachte sehe ich nämlich immer, dass die Entscheidung bereits getroffen ist, und kein Argument der Welt etwas daran ändern kann. Zwar kann ich trotzdem das Gegenteil ausführen, aber in Wirklichkeit weiß mein Bauch, das ist Mist und was eigentlich richtig wäre. Bleibe ich konsequent meinem Bauchgefühl treu, wird mit der Zeit auch vieles leichter, und flüssiger im Ablauf oder wenigstens dem Resultat.

Bei nicht enden wollender Unsicherheit geht es manchmal, sich selbst auszutricksen, sich abzulenken, bis die Handlung „von selbst passiert“.

Wenn ich etwa unsicher bin, ob ich eine Nachricht abschicken soll. Dann kann ich die erstmal schreiben. Und nochmal lesen. Mal ruhen lassen. Nochmal lesen. Und irgendwann, wenn ich es schaffe, innerlich kurz „wegzusehen“, verselbstständigen sich meine Finger, und es wird gelöscht oder abgeschickt. Es ist wirklich wie, mirselbst aus dem Weg zu gehen. Der Impuls ist schon da, ich muss ihn nurnoch zulassen.

Und sollte das nicht gehen, stimmt vielleicht eine Kleinigkeit in der Umsetzung noch nicht.

Ich kann übrigens niemanden mehr dafür verurteilen, was er oder sie tut, wenn ich mir erlaube zu tun, was ich tue. Meine Perspektive auf die Dinge wird völlig verändert, wenn ich meinen inneren Mitbewohner nichtmehr so ernst nehme, während er mir von den vielen unnötigen Bewertungen erzählt, die er fällt. Ich tue, was ich tue, und alle andern tun, was sie tun.

Das entspannt unglaublich.

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Hier schreibt Mira. Hauptberuflich Lebenskünstlerin mit Fokus auf Heilkunde, Mutterschaft und die Entfaltungsprojekte.

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