Vorab stelle ich klar: ich gebe keine Empfehlungen ab, was wer tun soll, und was besser für wen ist. Ich schildere lediglich meinen persönlichen Zugang zum Thema. Ich respektiere, wenn jemand es anders macht. (Das gilt auch für alle anderen Beiträge.)
Ich bin also schwanger, trage mein Kind neun Monate unterm Herzen und gebäre es dann.
Das erste, was im Normalfall passiert ist, dass eine eher fremde Frau es in Empfang nimmt. Hier fängt es schon an. Mir ist lieber, ich oder mein Mann sind die Menschen, die mein Kind das erste Mal berühren, wenn es seine warme Höhle verlässt.
Dann liegt es auf meinem Bauch oder meiner Brust, robbt vielleicht zur Brustwarze. Sie riecht, wie das Fruchtwasser geschmeckt hat. Mein Baby kann sofort eine Verknüpfung zu etwas Bekanntem herstellen und kommt erst einmal an. Es ist geborgen und sicher, hat meinen ihm vertrauten Geruch und meine Herzfrequenz als Sicherheit, während es die Veränderungen verarbeitet.
Es trinkt meine Milch, die extra auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist, und wird die ersten Wochen sehr viel direkten Hautkontakt mit mir haben.
Mein zweites Baby zum Beispiel war sogar so sensibel, dass es das erste halbe Jahr allermindestens 23 Stunden Körperkontakt mit mir brauchte, und nachts vor allem die ersten Wochen panisch schrie, wenn es tagsüber auch nur kurz von jemand anderem als mir gehalten worden war oder ich es außer Haus zu lange nicht im Tragetuch, sondern nur am Arm hatte. (Für die viele Leute schwer zu glauben und anzunehmen.)
Inspiriert von unter Anderem Jean Liedloff, vor allem aber meiner Intuition, wollte ich meinen Kindern so viel Nähe, Sicherheit und Geborgenheit ermöglichen, wie ich konnte. Das tue ich immernoch. Wenn meine Kinder also meine Nähe wollen, und ich gerade in der Lage bin, für sie da zu sein, dann bin ich es. Wenn ich nicht dazu in der Lage bin kümmere ich mich darum, dass jemand anderer da ist.
Ihr Urvertrauen wird so bestmöglich bewahrt, und sie gehen meist sehr offen und entspannt auf neue Menschen zu.
Sie verankern in sich die Gewissheit, dass jemand für sie da ist, dass für sie gesorgt ist, dass sie sicher sind. Und zwar auf mehr als nur der materiellen Ebene.
Je älter sie werden, desto weniger brauchen sie ihr Nest, und der Große will zum Beispiel oft von sich aus über Stunden weg von mir. Wenn er zurück kommt funkeln die Augen dann, und mein Großer erzählt mir aufgeregt, was er Spannendes erlebt hat. Oder eine entspannte Erschöpfung macht es ihm leicht, in den Schlaf zu finden. Geht es ihm warum auch immer weniger gut, sucht er meine Nähe wieder mehr und tankt auf.
In dieser Art Beziehung, in der ich daran Freude habe, verfügbar und präsent zu sein, hat regulierte Fremdbetreuung für mich keinen Platz.
Ich selbst habe ein riesiges Problem mit zu vielen regelmäßigen Terminen. Unter anderem deswegen ruft bei mir der Gedanke an Kindergarten zum Beispiel schon Beklemmungsgefühle hervor. Da können wir nicht einfach kommen und wieder gehen, wie es uns passt. Nein, da müssen wir unseren Tagesrythmus sogar danach ausrichten, rechtzeitig dort anzukommen.
Für mehrmals die Woche ist mir das viel zu viel Einschränkung.
Abgesehen davon will ich mein Kind nicht einfach bei fremden Menschen abgeben. Auch, wenn sie mir sympathisch erscheinen, hatten ich und meine Kinder wahrscheinlich nie die Möglichkeit, die Betreuuenden privat kennen zu lernen und über einen längeren Zeitraum ein persönliches Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Da meine Ansichten und Werte aber so stark von der Norm abweichen, ist mir wichtig, ein paar Umgangsregeln gesichert zu wissen.
Erst draufkommen, wo die Ansichten auseinander gehen, wenn mein Kind einem unerwünschten Einfluss schon ausgesetzt war hinterlässt bei mir einen fahlen Nachgeschmack.
Wenn mein Großer beispielseise gelobt wurde, darf ich mir teils tagelang anhören, wie toll ich gerade das Wasserglas auffülle. Wurde meinem Kind Essen gegeben, das auf der roten Liste steht, darf ich die Bauchschmerzen und den Durchfall begleiten.
Klar, da kann man vieles abmachen und im Vorhinein regeln, aber ich werde trotzdem das Wichtigste missen – die Beziehung.
Ich werde es nicht müde zu sagen: Das Dorf fehlt.
Im Dorf kenne ich alle, und es gibt viele Kinder verschiedenen Alters. Damit erübrigt sich dann eigentlich auch die Frage von institutionalisierter Kinderbetreuung, da die Kidner meistens in einer Gruppe unterwegs sind, die keiner Betreuung bedarf. Einzelne Kinder werden sich hin und wieder abschotten, am Rand spielen, einem Erwachsenen Löcher in den Bauch fragen, oder auch mal im Wald verschwinden. Aber in so einem Gefüge sind die Kompetenzen bekannt. Die Kinder wissen, was sie können und was sie nicht können, beziehungsweise wofür sie noch nicht bereit sind. Und die Erwachsenen wissen, welche Kinder was brauchen. Einfach schon deshalb, weil alle immer wieder im Leben des anderen auftauchen. Allein durch das nebeneinander herleben lernen sie sich gut genug kennen, um im Bedarfsfall gut genug einschätzen zu können, was die Situation verlangt.
Wenn etwas schief läuft kann ich als Elternteil nachträglich ganz anders mit der Situation umgehen, als wenn es sich um ein Verhältnis handelt, in dem Institute, Geld und fremde Regeln eine Rolle spielen.
So jedenfalls mein Gefühl, meine Einschätzung. Ich habe dazu keine Studien, nur diese rechtshemisphärischen Synthesen, die mein Gehirn gerne aus Erfahrungen und gesammelten Informationen macht. Aber ich bin mir sicher, da ist gut was dran. Die Details humpeln vielleicht.
Mein Ideal ist also das Dorf.
Ich habe leider noch keines. Deswegen haben wir Eltern es uns so eingeteilt, dass wenigstens wir bei den Kindern sein können. Am Rest feilen wir noch.
Kindergarten oder auch Tagesmutter und all die anderen Betreuungsmodelle wie später etwa Schule und Nachmittagsbetreuung kommen für mich also maximal dann in Frage, wenn mein Kind ausdrücklich danach verlangt, und ich es als gefestigt genug wahrnehme, für sich selbst einstehen zu können.
Mein Großer macht da zur Zeit riesige Sprünge. Wenn ich ihm zuhöre, wie er mit Leuten streitet, die versuchen ihn zu erziehen, seufze ich glücklich, erleichtert und widme mich wieder dem Abwasch.
Er schreit dann zum Beispiel gewaltfrei herum, was er gerade fühlt und wovon das ausgelöst wurde. Was er will, und was er nicht will.
Er ist ca. dreieinhalb. Es gibt Erwachsene, die das nicht drauf haben. Viele. Und mindestens genausoviele die nicht verstehen, warum das eine wichtige Fähigkeit ist. Damit kann ich ihn völlig entspannt mit Leuten allein lassen, mit denen er sich wohlfühlt. Auch, wenn ich sie nicht gut kenne.
Strukturierte, regelmäßige Fremdbetreuung ist für mich dann aber trotzdem nochmal eine andere Nummer. Da wird jemand, meist Fremdes, dafür bezahlt, mein Kind zu hüten.
Wozu überhaupt?
Damit ich auch mal Ruhe vor dem lästigen Balg habe und endlich wieder den Staat unterstützen kann? Um die Fremdbetreuung und unser Zweit-Auto und zu finanzieren, das ich brauche um zur Arbeit zu kommen und die Kinder in die Fremdbetreuung zu bringen? Um die Kredit-Raten fürs Haus abzubezahlen, indem wir dann nurnoch drei Stunden pro Wochentag und die Wochenenden das Heim genießen? Oder gar nur „weil man das so macht“?
Danke, für mich lieber anders.
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